Rezension: Richard Surface, Das Vermächtnis – schlechte Thriller-Kost

Eigentlich hat „Das Vermächtnis“, der Erstling des US-amerikanischen Autors Richard Surface, alles, was einen guten Thriller ausmacht: Einen vielversprechenden Einstieg mit einem mysteriösen Mord und einen halbwegs sympathischen Protagonisten, der den Behörden nicht traut und den Mord an seinem Großvater selbst lösen will. Dazu kommen komplexe Handlungsstränge, die sich um verschollene Kunstwerke ranken. Doch nach einem gelungenen Beginn offenbaren sich zunehmend handwerkliche Schwächen, die „Das Vermächtnis“ zu einem Roman machen, den auch hartgesottene Fans des Genres nicht wirklich gelesen haben müssen.

Die Handlung

Gabriel träumt davon, eines Tages Brücken zu konstruieren. Da er an Dyslexie leidet, scheitert sein Ingenieursstudium. Unvermittelt wird er in die Welt des internationalen Kunst-Schwarzmarktes gestoßen: Sein Großvater wird brutal ermordet und hinterlässt seinem Enkel nebst einem Bungalow in Lech eine mysteriöse Statue, die er jedoch erst finden muss – zusammen mit weiteren verschollenen Kunstwerken. Diese sollten einem illustren Kreis von millionenschweren Sammlern gehören, deren Glanzstücke eben verschollene Kunstwerke darstellen.

Obwohl Schauplätze als auch Charaktere etwas platt gezeichnet sind, gelingt es Richard Surface im ersten Teil des Romans, Spannung aufzubauen. Von der literarischen Qualität eines Dan Brown oder anderen Verschwörungstheoretikern trennen Surface zwar noch Welten. Doch zumindest ist der Leser so gefesselt, dass er erfahren möchte, wie die Geschichte endet.

Ein Bruch in der Handlung

Das ändert sich etwa ab Kapitel 25: Surface versucht, die zahlreichen Handlungsstränge miteinander zu verflechten und präsentiert eine rasante Wendung nach der anderen, wobei er sich auf ein früheres Detail-Ereignis bezieht. Das mag stilistisch durchaus beabsichtigt gewesen sein, wirkt aber auf den Leser eher so, als habe der Autor beim Schreiben gedacht: „So komm ich nicht zum Schluss, na, dann probier ich’s mal so!“ Das ist umso auffälliger, als sich die Taktung der Wendungen zum Schluss hin massiv steigert.

Negativ fällt außerdem auf, dass Richard Surface nicht allzu viel Zeit auf die Recherche aufgewendet zu haben scheint und einige Szenen extrem unglaubhaft schildert. Da ist zum Beispiel ein Profikiller, der Gabriel auf einem Platz in Florenz mit einem Gewehr ins Jenseits befördern möchte, jedoch nicht trifft. Gabriel hingegen benötigt als ungeübter Schütze mit einer Handfeuerwaffe nur wenige Schüsse, um den Killer zu verwunden.

Platte Beschreibungen fragwürdig übersetzt

Surface gelingt es weder, den handelnden Personen Tiefe zu geben, noch die Schauplätze lebendig werden zu lassen. Ersteres ist schade, muss aber nicht negativ gewertet werden, weil das der Leser in diesem Genre nicht zwangsläufig erwartet. Schwerer wiegt, dass die Beschreibungen der verschollenen Kunstwerke und der Schauplätze äußerst dürftig ausfallen und bestenfalls schwammige Bilder im Kopf des Lesers erzeugen. In diesem Zusammenhang fällt auch die allenfalls oberflächliche Recherche auf. So stuft Surface den Nachlass von Gabriels Großvater bis auf die erwähnte Statue als eher dürftig ein. Teil des Vermächtnisses ist jedoch ein Bungalow in Lech. Nachdem es sich bei der 1.600-Einwohner-Gemeinde um einen der mondänsten Wintersportorte im gesamten Alpenraum handelt, dürfte allein schon diese Immobilie einen sechs- bis siebenstelligen Wert haben.

Die deutschsprachige Übersetzung dürfte die Qualität des Buches noch zusätzlich mindern. Es sind vor allem Kleinigkeiten, die hier sauer aufstoßen. Beispielsweise nennt Zoë Beck die Florentiner konsequent Florenzer und lässt einen Polizeibeamten im Rahmen einer offiziellen Vernehmung von der ermordeten Haushälterin als Christel sprechen. Dass ein Polizeibeamter in offizieller Funktion grundsätzlich den Taufnamen (im Falle Christel also Christine oder Christiane) benutzt, sollte eine preisgekrönte Krimiautorin wissen.

Als Fazit bleibt:

Schade um die gute Idee. Richard Surface hat zweifellos das Zeug, um gute Unterhaltungsliteratur zu schreiben. Vor weiteren Veröffentlichungen könnte aber die Teilnahme an einem Kurs in Creative Writing nicht schaden. Denn dass „Das Vermächtnis“ eher nicht empfehlenswert ist, liegt in erster Linie am unrunden Spannungsbogen und dem fehlenden Tiefgang.

Richard Surface, Das Vermächtnis
Acabus Verlag, 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Das-Vermaechtnis-The-Legacy-9783862822263
Autor: Harry Pfliegl