„Der Biograf seines Vaters“ / Interview auf dem Blog „Bettinas Welt“

1. Was treibt dich an?

Ich habe eine Aufgabe: Ich zeichne auf, was die letzten lebenden Zeitzeugen der NS-Zeit zu sagen haben. Das bedarf der Sorgfalt, der Sensibilität, aber auch der Eile.

2. Was blockiert dich?

Finanzielle Sorgen.

3. Wie fühlst du dich, wenn du ein Projekt beendet hast?

„Je ernsthafter und zeitlich anspruchsvoller die sinngebende Lebenstätigkeit ist,

desto entsetzlicher ist die Leere, die auf sie folgt.“

(Václav Havel an seine Ehefrau Olga, 15. August 1981)

Mehr auf: http://www.bettinalippenberger.de/2017/07/01/interview-detlef-m-plaisier/

Die rote Kiste meines Opas: Feature auf Deutschlandradio Kultur zu Kriegsenkel und NS-Vergangenheit

Carolin Pirich, Journalistin bei Deutschlandradio Kultur, öffnet den Nachlass ihres Großvaters Hermann Pirich in einer roten Kiste. Stattliches Gewicht: 40 kg. Auch Hermann Pirich war Journalist, Hitler-Gegner und doch Mitglied der Waffen-SS.

Carolin Pirich beschreibt genau das Gefühl, das ich beim Öffnen der Biografie meines Vaters hatte:

„Wochenlang mache ich einen Bogen um die Kiste, aus Angst, dass sie das Bild, das ich von meinem Opa habe, zerstören könnte.“

Die rote Kiste setzt bei Carolin Pirich eine Auseinandersetzung in Gang mit der Rolle ihres Großvaters im Zweiten Weltkrieg und der Belastung der Kriegsenkel, mehr als 70 Jahre später.

Hörenswertes Feature!

Jantjemoe, de Kraaj is dood

Im November 1906 verstarb im Alter von 105 Jahren die älteste Frau Ostfrieslands. Jantjemoe (auch Antjemoe), die „Witwe Saathoff“, war am 25. Oktober 1801 geboren worden. Diese Postkarte von ihr befindet sich in meiner Sammlung. Sie wurde im März 1906 von Carolinensiel nach Wilhelmshaven verschickt. Text und beide Stempel von Carolinensiel und Wilhelmshaven sind exzellent lesbar, auch die grüne 5 Pfenning-Briefmarke der Germania ist unbeschädigt.

Ich freue mich, dass dieses Zeitdokument jetzt beim Ur-Ur-Großenkel von Jantjemoe in Aurich ein neues Zuhause gefunden hat.

„Viele Fehntjer halfen bei der Recherche“ / General-Anzeiger, 30. März 2017

Detlef Plaisier. Bild: Strehler

Von Marion Janßen

Im Buch „Bubis Kinnertied“ schreibt Detlef Plaisier über die Jugend seines Vaters in Westrhauderfehn. An diesem Freitag liest er daraus vor.

General-Anzeiger: Herr Plaisier, Sie haben ein Buch über die Lebensgeschichte Ihres Vaters in Westrhauderfehn geschrieben. Wieso?

Detlef Plaisier: Mein Vater hinterließ mir bei seinem Tod 2006 eine Biografie, die Grundlage dieses Buches ist. Er behandelt darin seine Kindheit in Ostfriesland und im Emsland bis zu seiner Einberufung als 16-Jähriger. Ich habe während der Arbeit an dem Buch in Leipzig gewohnt. Ich war also auf Informationen aus dem Internet und Kontakte vom Fehn angewiesen. Ich bin dankbar, dass mich so viele Menschen unterstützt haben.

GA: Haben Sie Westrhauderfehn kennengelernt?

Plaisier: Mein Vater hat Anfang der 1950er Jahre aus beruflichen Gründen Ostfriesland verlassen. Ich bin in Hannover geboren. Ostfriesland kannte ich nur von Besuchen. Doch mein Vater hat immer von seiner Heimat erzählt und sich auch Rituale von dort bewahrt. Ich pflege das Grab meiner Großeltern am Untenende, und es gibt noch lebende Verwandte.

GA: Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?

Plaisier: Ich habe mich fünf Jahre nicht getraut, den Text aus dem Nachlass zu öffnen, in der Angst, mich erwarte Unangenehmes; ein Familienbild würde zerstört. Und so war es: Ich erfuhr, dass mein Großvater im Lager Börgermoor gearbeitet hatte, meine Großmutter führte die NS-Frauenschaft. Um das zu verarbeiten, zog ich einen Psychotherapeuten hinzu. Vom Auffinden des Textes bis zur Veröffentlichung sind fast elf Jahre vergangen.

Detlef Plaisier liest an diesem Freitag ab 19.30 Uhr beim Klönabend im Fehn-und Schiffahrtsmuseum. Eintritt: 3 Euro.

Premiere in Ostfriesland: 100 Zuhörer in Westrhauderfehn zur Lesung aus „Bubis Kinnertied“

Nach der Lesung im Fehn- und Schiffahrtsmuseum: Entspannt mit Acabus-Verleger Björn Bedey, der aus Schleswig-Holstein angereist war. Foto: Sandra Gräfenstein

Nach fünf Lesungen rund um die Buchmesse in Leipzig stand mir gestern die Feuertaufe in Ostfriesland bevor: Der Heimatverein Overledingerland hatte zum turnusmäßigen Klönabend in das Fehn- und Schiffahrtsmuseum Westrhauderfehn geladen. Programmpunkte: Lesung aus „Bubis Kinnertied“, Teetied, der Lesung zweiter Teil und gemeinsames Singen von „Kein schöner Land in dieser Zeit“ auf Plattdeutsch. Es ist ein großes Kompliment für mich, dass dieser Klönabend der bestbesuchte in der Saison war. Rund 100 Zuhörer wollten Auszüge aus der Biografie meines Vaters hören, der Saal reichte nicht aus, eine Verbindungstür wurde zusätzlich geöffnet.

Wie bei allen meinen Lesungen, hatte ich die Textauszüge individuell auf das Publikum abgestellt. Es gab ein Wiedersehen mit vertrauten Personen und Orten aus der Vergangenheit des Fehns. Die älteren Zuhörer kommentierten dies mit Raunen oder Zustimmung: Ja, den kenn ich auch noch…. Ein wirklicher Heimatabend, gar nicht kitschig oder gar spießig, und selbst das schwierige Thema Emslandlager und Kriegsenkel wurde offen aufgenommen. Nach der Lesung kamen Zuhörer zu mir und berichteten aus ihrer Familie. Das hatte ich schon in Leipzig erlebt: Ich berühre Menschen, und sie öffnen sich für mich. Kann es für einen Autor größere Erfüllung geben?

Danke an alle. Ich bin endgültig angekommen.