Rezension: Mathias Gatza, Der Augentäuscher

Hoher Spannungsbogen mit schwierigem Sprachniveau

„Der Augentäuscher“ – der Titel ist Programm in diesem Roman von Mathias Gatza. Wie die Hauptfigur des barocken Malers Silvius Schwarz, der das Auge zu überlisten versucht, kleidet der Autor sein Werk abwechselnd als historischen Roman, als Wissenschaftssatire und als Liebesgeschichte. Diese Variation und Gatzas Ideenreichtum machen die Geschichte spannend und abwechslungsreich, gleichzeitig aber auch zu einer Herausforderung für den Leser.

Quelle: Graf Verlag
Quelle: Graf Verlag

Die erste Täuschung erwartet den Leser gleich zu Beginn des Romans. Das Vorwort des Herausgebers stammt nämlich nicht vom Autor, sondern von einem fiktiven, brot- und erfolglosen Kunsthistoriker. Er hat seine wissenschaftliche Karriere dem Maler Silvius Schwarz gewidmet, ein Name, der bei seinen Kollegen als Phantom gilt. Tatsächlich taucht Silvius Schwarz in keinem einzigen Geschichtsbuch auf und seine Werke bleiben ebenfalls verschollen. Doch eines Tages, beim Elbehochwasser in Dresden, fischt unser Herausgeber einen über 300 Jahre alten Schriftbogen aus dem Wasser, in dem der mysteriöse Maler erwähnt wird. Dieser Fund ist der Beginn einer fanatischen Spurensuche, die in das barocke Dresden des 17. Jahrhunderts führt.

Der Roman besteht aus zwei Geschichten. Auf der einen Seite erzählt er von den Bemühungen und Forschungen des Wissenschaftlers. Dessen Methodenspektrum reicht von halb-legitim bis illegal und ist teilweise sehr vom Zufall geprägt. So berichtet er zum Beispiel davon, wie er einer Kollegin, die auf ähnlichem Gebiet forscht, eine wichtige Quelle stiehlt. Es handelt sich um einen historischen Briefroman, der die Korrespondenz zwischen Silvius Schwarz und seiner adeligen Geliebten Sophie von Schlosser enthält.

Die zweite Geschichte über Silvius Schwarz, seine Arbeit und seine Entdeckung wird durch die jeweiligen Funde des Herausgebers rekonstruiert. Schwarz ist ein Findelkind, das bei einem arabischen Gelehrten in einem Dorf nahe Dresden aufwächst. Er zeigt eine frühe Begabung für die Malerei. Vor allem seine Stillleben sind von großer Präzision geprägt. Doch schon bald reichen Schwarz Pinsel und Farbe nicht mehr aus. Stattdessen sucht er nach einer Methode, mit der er einmalige Augenblicke festhalten und für die Nachwelt erhalten kann. Kurzum: Schwarz sucht nach der Fotografie. Schon bald äußert der Herausgeber die Vermutung, dass es Schwarz auch gelang, sie zu finden – und damit wäre die Fotografie 150 Jahre älter wäre als bisher angenommen. Als er am Ende ein Bild auf einer alten Metallplatte aus dem Jahr 1673 entdeckt, ist er davon überzeugt, auf eine Sensation gestoßen zu sein.

Der Leser erfährt die Geschichte von Silvius Schwarz aus zwei sehr unterschiedlichen Quellen, nämlich aus den gefundene Bögen des Setzers Leopold und dem gestohlenen Briefroman. Dem ersten Bogen, den der Herausgeber im Hochwasser fand, folgen fünf weitere, die von den Geschehnissen im ostdeutschen Städtchen **rode berichten. Dieses wird von einem Ritualmörder heimgesucht, und Silvius Schwarz, der durch seine geheimnisvolle Arbeit in Verruf gerät, entwickelt sich rasch zum Hauptverdächtigen. Der Briefwechsel zwischen Schwarz und seiner Geliebten Sophie enthält dagegen eher wenig Information, die zur Handlung beitragen. Abgesehen von der sehr blumigen Sprache, an der sich mancher Leser stören mag, sind die Liebesschwüre und Eifersüchteleien teilweise etwas langatmig. Die Rekonstruktion der Ereignisse ist ein Rätsel, das der Leser zum größten Teil selbst zu lösen hat, was der eine als spannend, der andere aber auch durchaus als mühselig empfinden mag.

Das Verbinden der zwei Geschichten gelingt Gatza sehr gut, und durch die Variation der verschiedenen Quellen bleibt der Spannungsbogen hoch. Dennoch fiel es mir persönlich am Ende schwer, den Kern dieses Romans zu finden. Ist es die tragische Geschichte eines großen Erfinders? Die Entdeckung der frühen Fotografie? Oder stehen die Forschungen des gescheiterten Kunsthistorikers im Mittelpunkt? Auch am Ende, wenn sich die Ereignisse in beiden Geschichten überstürzen, hätte ich mir mehr Klarheit gewünscht. Auch nach mehrmaligem Lesen bleibt der Leser mit seinen Fragen allein.

Im Fazit heißt das: Wer einen gewissen Forscherinstinkt mitbringt und sich vom schwierigen Sprachniveau nicht gleich abschrecken lässt, kann sich über einen detailverliebten, vielschichtigen Roman freuen. Neben vielen ironischen Anspielungen auf die moderne Zeit tauchen auch die großen Philosophen Descartes, Spinoza und Leibniz auf. Wer sich einen historischen Thriller im Stil von Umberto Eco erhofft, wird vermutlich enttäuscht sein.

Mathias Gatza, Der Augentäuscher
Graf Verlag, 2012

Autorin: Lisa Ströhlein