Kurzes Fototagebuch zur Leipziger Buchmesse 2017

Montag, 20. März 2017

Ein halbes Jahr ist es her, dass ich Leipzig verlassen habe. Nun bin ich für eine Buchmessewoche zurück. Ich wohne im HAL Atelierhaus, im Leipziger Osten, im Kiez um die Ecke der Eisenbahnstraße. Ich habe die Entwicklung des Hauses lange begleitet, komme zu Freunden zurück.

Nach dem Auspacken führt der erste Weg auf die Eisenbahnstraße. Und sofort ist er wieder da, dieser Grundteppich an Stadtlärm. Klingelnde Straßenbahnen, schreiende Kinder und Mütter, die zurückschreien, ein Junkie, der seine Freundin zusammenbrüllt, ausländische junge Männer, die mir ihre Kürbiskernschalen vor die Füße spucken, ausländische Jugendliche, die an der Kasse bei ALDI lachend ein deutsches Mädchen beschreiben, dass sich gut für einen Arschfick eigne. Und bei Aldi gibt’s keinen Kandis. Direkt vor der Tür wird gerade ein Autoradio ausgebaut. Alles auf zweihundert Metern in fünfzehn Minuten.

Nee Leipzig, lass mal. Ich freue mich über jeden, den ich in dieser Woche wiedertreffe. Und es freuen sich viele auf mich. Aber diese Art zu leben, die will ich nicht mehr.

Dienstag, 21. März 2017

Der Lebensrhythmus gerät durcheinander. Morgens um vier den Ofen anfeuern. Das erfordert Übung: Erst bollert es, dann ist es wieder zu kalt. Die Straßenbahn höre ich nach einigen Vorbeifahrten nicht mehr. Die Eisenbahnstraße erwacht um sechs. Und jede Minute Ideen, die ich aufschreiben muss, auch in der Nacht. Ansonsten ein privater Tag. Abends türkische Linsensuppe und Erdbeeren mit Zucker.

Mittwoch, 22. März 2017  

Gut, dass die Tage länger werden. Morgens um sieben bin ich hellwach, das Ideenkarussell dreht sich.  Türkisches Frühstück. Danach Spaziergang durch den Kiez und in der Innenstadt und natürlich Bücher stöbern bei Lehmanns. Nach einer Stunde fühle ich mich schon verloren.

Samstag, 25. März 2017

Es wird bedrohlich. Ich fühle mich wie von einer Dampfwalze überfahren. Buchmessetage fordern Tribut. Der Körper schmerzt. Jeder Tag endet erst am folgenden Morgen mit einem Döner auf der Eisenbahnstraße. Jeden Morgen nach der Menschwerdung kurze Medienarbeit.

Sonntag, 26. März 2017

Diese Buchmesse war so anders als die vorhergehenden: Ich habe nur eine Lesung miterlebt (Ulrich Völkel konnte mich tatsächlich für das ungeliebte Genre Krimi begeistern), ich war nicht einmal in der LVZ-Autorenarena, und ich habe gerade mal ein Autogramm ergattert von der bezaubernden Aurélie Bastian.

Es gab keine eigenen Mangafotos. Die wenigen Schnappschüsse verdanke ich Sandra Gräfenstein, die mich die komplette Woche so wunderbar unterstützt hat.

Es gab keine Treffen mit den Presseverantwortlichen der Verlage. Woran bemisst sich also mein Erfolg dieser Buchmesse 2017?

Nackte Zahlen: 1.270 Kilometer Autofahrt. 120 Euro Benzinkosten, 200 Euro Unterkunft. Fünf Lesungen, 60 Zuhörer, 12 Buchverkäufe.  Enttäuschend? Bitter? Nach den Lesungen, da erzählen Menschen von sich und der Aufarbeitung der Kriegserlebnisse in der Familie, von der unterschiedlichen Geschichtsrezeption in den alten und neuen Bundesländern, berichten von eigenen Aufzeichnungen der Großeltern und Urgroßeltern. Ich habe Mut gemacht dazu, dass sich Menschen öffnen und mein Thema in ihren Alltag mitnehmen. Dafür bin ich dankbar, das bewegt mich, und das lässt sich nicht in Verkaufszahlen ausdrücken.  Ich bin sicher, dass einige neu geschlossene Kontakte sich entwickeln werden. Und ich spüre: Biografisches Schreiben ist meine Aufgabe der kommenden Jahre. Da ist eine Aufgabe zu mir gekommen, die ich selbst nicht gesucht habe.

Hier einige Impressionen meiner Lesungen:

Und dies sind meine Literaturempfehlungen, die ich aus Leipzig mitgebracht habe:

Claire Fuller, Eine englische Ehe (Piper)
Dominic Smith, Das letzte Bild der Sara de Vos (Ullstein)
Maja Lunde, Die Geschichte der Bienen (btb Verlag / Random House)
Niroz Malek, Der Spaziergänger von Aleppo (CulturBooks)
Aurélie Bastian, Französisch backen
Ulrich Völkel, Unter schwebender Last lauert der Tod (RhinoVerlag)

www.rowohlt.de

… und natürlich die Siegerin in der Sparte Belletristik des Preises der Leipziger Buchmesse. Natascha Wodin ist mit „Sie kam aus Mariupol“ (bei Rowohlt) vom Cover bis zum letzten Satz ein Meisterwerk gelungen. Es passt nicht nur gesellschaftspolitisch in die heutige Zeit, es bietet dem verwöhnten Leser auch alle Attribute bleibend guter Literatur.  Es bewegt, rüttelt auf, lässt innehalten, lässt Figuren leben. Wieder einmal eine weise Entscheidung der Jury für einen herausragenden Beitrag zur Erinnerungskultur.

Für 2018 ist klar: Ich komme wieder zur Buchmesse, auch wieder in den Leipziger Osten. Aber eine komplette Messe, jeden Tag auf dem Gelände, das stehe ich nicht mehr durch. Ich werde älter.

Ich danke allen, die in Leipzig Zeit für mich hatten. Es tut mir leid, dass ich nicht alle treffen konnte. Danke an meine Gastgeber Oile im OAP Plagwitz, Franz Sodann im Kulturbüro DIE LINKE, Norbert Schaal im de Scale, Jörg Mohr in der Vinothek edelrausch und Christoph Hundhammer mit der ersten Open-Air-Lesung im Blockstellwerk Elsteraue.  Die Atmosphäre inmitten des Freiluftateliers ist so inspirierend:

Besonders danke ich dem wunderbaren Team vom Acabus-Verlag Hamburg, der mir die Veröffentlichung eines Herzensprojektes ermöglicht und mich auf jede erdenkliche Weise unterstützt hat. Danke Björn Bedey und Daniela Sechtig! Danke Mädels!

Fotonachweis: Detlef M. Plaisier (24), Sandra Gräfenstein (16), Gerd Eiltzer (2), Zita A. Pataki (1), Jörg Mohr (1)

Reingelesen: Sinty Stemp, Hollywood Style von A bis Z

Was waren denn nun die Goldenen Jahre? Die Zwanziger des 20. Jahrhunderts? Oder doch die Dreißiger? Der neuste Band der Vintage-Styleguide-Reihe mit dem Titel ‚Hollywood Style von A bis Z‘ umspannt die 1920er bis 1950er und beweist: Hollywood ist für goldene Jahre zeitlos.

www.edel.com
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Autorin Sinty Stemp ist Expertin: Sie studierte Englische Literatur und Geschichte und wuchs als Tochter des Modeillustrators und Künstlers Eric Stemp (DAKS, Vogue) in die Welt von Glanz und Glamour hinein. Und sie weiß genau: Zwar sind die Zeiten, als die Kostümbildner der Filmstars den Geschmack der Straße vorgaben, längst vorbei. Doch Hollywoods rote Teppiche sind immer noch der Hingucker für Stil und Eleganz. So erscheint dieser Titel nicht zufällig zur Oscar-Verleihung 2016.

Schauen wir hinein in das handliche Büchlein für Kurzstreckenleser: Von A bis Z werden den Diven, Stars und Gents der Filmwelt Hollywoods auf den Mund geschaut. Alphabetisch aufgereihte Schlagwörter führen thematisch durch die Filmwelt und werden knackigen, erfrischenden Zitaten gegenüber gestellt. Humor und Plattitüden mischen sich mit Nachdenklichem. Eine kleine Auswahl: Al Pacino bekennt, Eitelkeit sei seine Lieblingssünde. Judy Garland rät: „Always be a first rate version of yourself instead of a second rate version of someone else“ [„Sei immer die erstklassige Version deiner selbst, statt einer zweitrangigen Version von jemand anderem“]. Und Elizabeth Taylor ist sich ganz sicher: „Große Mädchen brauchen große Diamanten.“ Die Bonmots werden ergänzt durch mehr als 100 wunderschöne Schwarz-Weiß-Fotografien. Allein dieser Schatz verdient einen Platz im Bücherregal

Also: Schnappt euch dieses kurzweilige Buch und tragt die Zitate der Stars in den Alltag. Sie garantieren kurzweiligen Smalltalk auch abseits der Welt der Schönen und Reichen.

Sinty Stemp, Hollywood Style von A bis Z
Eden Books, 2016
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Hollywood-Style-von-A-bis-Z-9783959100465
Autoren : Norbert Schaal / Detlef M. Plaisier

Rezension: Sir Hardy Amies, Das kleine Buch der Herrenmode

Autor der praktischen Sammlung zur Herrenmode ist Sir Hardy Amies (1909-2003), Hofschneider Ihrer Majestät Elisabeth II., in seiner aktiven Zeit bis 1989 wohl der erfolgreichste Couturier in London. Als einer der Begründer der Herren-Konfektionsbekleidung setzte er seinen Anspruch mit dem Ausspruch „Design muss an einem englischen Gentleman aus der Stadt genauso gut aussehen, wie an einem amerikanischen Athleten“ um und erntete dafür großen Erfolg. Herausstechende Leistungen sind die Kostüme in Stanley Kubricks futuristischem Kinofilm „Odyssee im Weltraum“ und die Stil prägende Melone von Patrick Macnee als Superagent John Steed in „Mit Schirm, Charme und Melone“.

Quelle: www.edel.com
Quelle: www.edel.com

Klassiker und Überraschungen
Amies‘ Klassiker spricht den Mann mit beginnendem Interesse am korrekten Herrenoutfit ebenso an alte Hasen im Metier. Der knackige Schreibstil ist leicht verständlich und geht über das Informative hinaus – der Leser lernt dazu. Der lesende Entdecker kann sich themenspezifisch auf Situationen der Kleidungswahl vorbereiten und kann so sicher sein, eine sichere und gute Figur zu machen. Beispielhaft werden Klassiker der Mode erklärt. Was etwa ist ein Glencheck oder ein Hahnentritt-Muster? Wer dann Gefallen gefunden hat, begegnet auch eher unbekannten Details der Herrenmode wie etwa Doeskin, Plus fours und vielen mehr. Eine klassische alphabetische Reihenfolge vermittelt sehr geschickt den Eindruck einer Enzyklopädie und von short stories gleichermaßen. Weiter Pluspunkt ist das handliche Format, ein perfekter Begleiter auch für das Reisegepäck.

Mein Fazit
Es ist schon lange her, dass ich ein so angenehm knackiges und auf den Punkt gebrachtes Lexikon in der Hand gehalten habe. Geführt durch Beispiele, beginnt der Leser seine eigenen Outfits zu erkunden und neu zu kombinieren. Aufgepasst, junge Herren mit dem Gespür für gute Kleidung: Jeder Anlass, ob beruflich oder privat, erfordert korrekte Kleidung. Sie war schon immer die willkommene Eintrittskarte für Erfolg und Ansehen. Sir Amies zeigt dies unaufdringlich und zeitlos.

10404339_741515109247387_7830667400977162955_nSir Hardy Amies, Das kleine Buch der Herrenmode
Eden Books, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Das-kleine-Buch-der-Herrenmode-9783944296968

Autor Norbert Schaal ist Herrenausstatter, Masskonfektionär und Personal Shopper. Im Mai 2015 feierte sein Unternehmen de Scale einjähriges Jubiläum im aufstrebenden Leipziger Kreuzstraßen-Viertel.