Rezension: Marceline Loridan-Ivens, Und du bist nicht zurückgekommen

Mit „Und du bist nicht zurückgekommen“ hat Marceline Loridan-Ivens eine herzzerreißende Liebeserklärung einer Tochter an ihren Vater verfasst. Zusammen mit ihrem Vater wurde die Autorin 1944, im Alter mit 15 Jahren, von den Nationalsozialisten deportiert. Sie kam nach Birkenau, der Vater nach Auschwitz. Die Mutter entkam mit zwei Geschwistern dem Zugriff der Nazis nur knapp. Siebzig Jahre später schreibt die überlebende Tochter einen Brief an den Vater, den er nie lesen wird.

Quelle: www. suhrkamp.de
Quelle: www. suhrkamp.de

Der Inhalt
Die Autorin versucht etwas schier Unmögliches: Sie will dem unaussprechlichen Leid, das die nationalsozialistische Herrschaft vor allem über viele jüdische Familien brachte, eine Stimme geben. Schon kurz nach der gemeinsamen Ankunft in Auschwitz wird sie von ihrem Vater getrennt und landet im drei Kilometer entfernten Birkenau. Trotz der strengen Kontrollen im Konzentrationslager gelingt es ihrem Vater, Marceline noch eine Nachricht zukommen zu lassen, deren Inhalt sie jedoch wenig später vergessen hat.

Für die heutige Generation sind die Zustände und Vorgänge in den Konzentrationslagern unvorstellbar. Dazu gehört auch eine Begegnung der Autorin mit Josef Mengele, der in Auschwitz als Lagerarzt tätig war und unmenschliche, grausame medizinische Experimente an den Häftlingen vornahm. Obwohl die Nachricht des Vaters in Vergessenheit geriet, bleiben die Erinnerungen an die Zeit der Nazi-Herrschaft für immer im Gedächtnis und auf der Haut der Autorin eingebrannt. Sie wurde mit der Zahl 78750 gebrandmarkt, die sie das ganze Leben über als schreckliche Gefährtin begleiten sollte, wie sie selbst sagt.

Die Autorin bedient sich in ihrem Werk einfacher und klarer Sätze. Genau das erzeugt Kälte und Schrecken. Einer der Schlüsselsätze dürfte das Bekenntnis sein „Ich liebte dich so sehr, dass ich glücklich war, mit dir deportiert zu werden“, das auf den heutigen Leser einfach nur erschütternd wirkt.

Mein Fazit
Der Autorin gelingt es auf nur knapp mehr als 100 Seiten eine komplexe Geschichte zu erzählen, die das Grauen des Dritten Reiches lebendig macht. Beeindruckend, bedrückend und ein wichtiges Dokument der jüngeren Geschichte.

Marceline Loridan-Ivens, Und du bist nicht zurückgekommen
In der Übersetzung von Eva Moldenhauer
Insel Verlag, 2015
Gespräch mit der Autorin: https://www.youtube.com/watch?v=zLLyeREWrrk
Gespräch mit der Autorin (französische Sprache): https://www.youtube.com/watch?v=jLa7Erf5eHI
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Und-du-bist-nicht-zurueckgekommen-9783458176602
Autor der Rezension: Harry Pfliegl