Rezension: Paula Bomer, Baby

Bereits vor einiger Zeit erschien im Leipziger Open House Verlag Paula Bomers Erzählungsband „Baby“. Bevor sich die Autorin im Herbst dieses Jahres mit ihrem neuen Werk „Neun Monate“ auf Lesereise begibt, lohnt es sich, einen kurzen Blick auf ihre erste Veröffentlichung in deutscher Übersetzung zu werfen.

Zur Autorin
Paula Bomer, geboren in Indiana, ist ein kleines Mysterium, was ihre Vita betrifft. Denn obwohl sie bereits eine Vielzahl von Essays und Geschichten veröffentlicht hat, bleiben doch die klassischen Angaben zum Werdegang im Verborgenen. Auf ihr Debüt „Baby and Other Stories“ folgten bisher zwei gefeierte Romane. Heute lebt Paula Bomer in New York.

Quelle: openhouse-verlag.de
Quelle: openhouse-verlag.de

Kindergeschrei und Beziehungsbrei
„Baby“ vereint zehn kurze Erzählungen. Alle beschreiben die Schattenseiten des Alltagslebens und zwischenmenschlicher Beziehungen – und alle haben eines gemein: Die Protagonisten stehen nach einem Einschnitt in ihrem Leben vor einer großen Ungewissheit, werden mit dem Ergebnis einer falschen Entscheidung konfrontiert. Sei es die Krankheit der ungeliebten Ehefrau zu ignorieren oder ein Baby zu bekommen in der Hoffnung, das süße kleine Zauberwesen könnte eher Spaß als Anstrengung sein. Der Leser folgt den Figuren in ihre tiefsten Gedanken und erhascht so einen Blick hinter die Zuckergussfassade der weißgetünchten Gartenhäuser.

Der Funke Wahrheit im Abgrund
So niedlich der Titel auch anmutet: „Baby“ ist etwas härtere Kost und nicht als spaßige Lektüre am Baggersee gedacht. Bomers Protagonisten sind aggressiv, wütend und zum Teil schon so verbittert, dass sie die Welt nur noch zynisch und verächtlich betrachten können. Dabei bedient sich die Autorin einer sehr klaren Bildsprache, etwa wenn sie in „Die Mutter seiner Kinder“ den spießigen Ted davon fantasieren lässt, wie er seinen Chef vergewaltigt. Nicht alle Figuren sind sympathisch und das ist gut so! Gerade die Schwächen und Abgründe machen Bomers Figuren so lebensecht. Mancher Leser mag sich ertappt fühlen, dass auch er schon solche Gedanken hegte, sie dann aber doch wieder vergrub, so wie Karen, die während eines Treffens der Anonymen Alkoholiker offen sagt, sie vermisse das Trinken.

Mein Fazit
Die krassen und am Ende immer offenen Erzählungen haben mich zu Beginn überrannt. Doch mit jedem Kapitel haben mich Bommers Figuren und deren Sichtweise der Welt mehr gefesselt. Allerdings empfehle ich, das Buch in kleinen Happen zu genießen, denn die teilweise bitterböse Kost liegt schwerer im Magen, als es das Cover vermuten lässt.

Paula Bomer, Baby. Erzählungen.
Open House Verlag, Leipzig 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Paula-Bomer-BABY-9783944122083
Autorin der Rezension: Jasmin Beer