Rezension: Carl Nixon, Lucky Newman

Mit den Worten „Meine Mutter hat sich unsterblich in einen Mann ohne Gedächtnis verliebt“ erringt ein über 80-jähriger Mann das Interesse von Carl Nixon. Damit die Geschichte seiner Familie nicht verloren geht, möchte der alte, wohlhabende Mann diese erzählt haben: in einem Buch.

Quelle: www.weidleverlag.de
Quelle: www.weidleverlag.de

Was wäre, wenn wir noch einmal komplett neu anfangen müssten?

Mai 1919, in einer kleinen Stadt einer britischen Kronkolonie: die Krankenschwester Elizabeth Whitman erhält ein Angebot, gegen gute Bezahlung einen reichen Mann zu pflegen, der mit einer Kriegsverletzung aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrte. Doch die Kopfverletzung, die der wohlhabende Paul Blackwell erlitten hat, hatte weitreichende Folgen: sein gesamtes Gedächtnis ist ausgelöscht, er weiß weder wer noch wo er ist, kennt niemanden seiner alten Freunde und auch seine Frau nicht mehr und auch alle gesellschaftlichen Regeln sind ihm fremd. Seine Erinnerung beginnt erst in dem Moment, als er schwer verletzt mehrere Tage in der Kälte eines Schützengrabens ausharren muss, während rund um ihn der Krieg tobt. Da er sich nicht an seinen Namen erinnern kann, nennen ihn die Sanitäter „Lucky“. Fortan ist das sein Name.

Während seine Frau unbedingt will, dass er sich daran erinnert, Paul Blackwell zu sein, hat Elizabeth Verständnis für Lucky und seinen Versuch eines Neuanfangs, ist doch ihr eigener Ehemann und Vater ihres Sohnes im Krieg verschollen. Als Lucky zwar lernt, sich in der Gesellschaft zu bewegen, jedoch sein Gedächtnis nicht wieder erlangt, lässt seine Frau ihn in eine Irrenanstalt einweisen, wo er unter Drogen gesetzt wird – und Elizabeth, die sich in Lucky verliebt hat, beginnt um seine Freiheit und damit um sein Leben zu kämpfen.

Humor als Waffe gegen den Schrecken

Carl Nixon gelingt es fast vom ersten Satz an, seine Leser mit seinem ironischen Stil in den Bann zu ziehen. Die Schrecken des Ersten Weltkriegs, die Armut und das Elend jener Männer, die als Soldaten in den Krieg zogen und als Krüppel wieder kamen, das Sterben und die Leiden derer, die daheim in der Ungewissheit leben müssen, ob ihr Sohn, Mann oder Vater überhaupt noch lebt – sind die zentralen Themen das Buches. Der Autor lässt Elizabeth ihrem Sohn eine Geschichte erzählen über einen Ballonfahrer, der in fernen Ländern wilde Abenteuer erlebt, von Heldenmut, Tod und Schätzen umgeben. Am Ende der Geschichte stirbt der Ballonfahrer, weil er sich für seine Freunde opfert. So soll der Verlust seines Vaters für den Buben leichter zu ertragen und besser zu begreifen sein. Diese Geschichte in der Geschichte und das gesamte Buch sind dabei ironisch-witzig, regen immer wieder zum Lachen an und machen es damit möglich, das Grauen zu begreifen, ohne daran zu zerbrechen, eine der größten Stärken der Menschheit, konzentriert in einem Buch.

Mein Fazit

Eine ungewöhnliche Lebensgeschichte, in ungewöhnlichem Stil erzählt. Eine Geschichte, die von der ersten Seite an fasziniert, und die man eigentlich nicht mehr aus der Hand legen will, bis man sie ganz gelesen hat. Durch die selbstironischen Einwürfe des Autors als Erzähler entsteht zusätzlich der Eindruck, das Ganze würde am Lagerfeuer erzählt werden, während die Leser mit offenem Mund lauschen – eindeutig ein Buch, das man gelesen haben sollte.

Carl Nixon, Lucky Newman
Weidle Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Lucky-Newman-9783938803714
Autor der Rezension: Harry Pfliegl