Rezension: Akif Pirincci, Deutschland von Sinnen – ein deutscher Hassprediger oder ein deutscher Patriot?

Sehen Sie sich doch mal an, wer heute einen Kinderwagen durch die Stadt schiebt. Die billigsten Klamotten, abgekaute Fingernägel, eine Zigarette nach der anderen und ein Deutsch, das man nicht mehr als eigene Sprache erkennt – denen steht Hartz IV doch förmlich ins Gesicht geschrieben. Da wird einem Angst und Bange um Deutschlands Zukunft.

Deutschland-von-Sinnen-Stimmen Sie zu? Dann ist Akif Pirinccis Buch die richtige Lektüre für Sie. Hätte er diese Sätze so geschrieben, wären sie noch eines der harmlosen Kaliber. Mit seinem ersten Sachbuch nach liebenswerten Katzenkrimis zündelt Pirincci an Deutschlands demokratischem Konsens. Konstantin Wecker notierte zutreffend, im Vergleich zu Sarrazin sei Pirincci gar ein „feinsinniger Intellektueller“ mit „Stürmer-Deutsch“ in Anspielung auf das antisemitische Hetzblatt der Nazis. Pirinccis Verlag sieht die Provokation, schwächt sie ab als einen „furiosen, aufrüttelnden und brachialen Wutausbruch, ein mutiges Unikat“. Und selbst FOCUS Online identifiziert Pirincci als das „außerparlamentarische Sprachrohr der Frust- und Normaldeutschen, die sich marginalisiert, düpiert, ausgeplündert sehen.“

Ich habe das Buch nicht komplett gelesen. Ich konnte es nicht ertragen. Sie wollen wissen, was darin steht? Eine Reihung himmelschreiender Dummheit, dumpfer Parolen, Sexismus und persönlicher Beleidigungen. Mehr nicht? Mehr nicht. Es gibt wenige Vorschläge, wie etwa den Steuersatz auf fünf Prozent vom Einkommen zu reduzieren. Weil Pirincci schnoddrige, ordinäre, ja vulgäre Passagen zum durchgängigen Stilmittel erhebt, reißen Ansätze von Argumentationslinien ab. So verschenkt der Autor die Chance, wie Sarrazin über Provokation eine Diskussion zu entfachen.

Es ist meine Angewohnheit, erst ein Kapitel komplett zu lesen, um in ein Buch hereinzufinden. Bei Sarrazin war es der Fokus Bildung, bei Pirincci jetzt der Abschnitt „Über die Frauen“. Es ist schlicht widerlich. Pirinccis Idealbild der Frau ist mittelalterlich: ohne Besitz, entrechtet und dem Herrn immer zu Willen, wenn er es wünscht. Zu den jungen Frauen von heute weiß Pirincci zu bemerken, dass die Klitoris während des Geschlechtsverkehrs „nicht zur Gänze stimuliert wird“ und außerdem so tief in der Mulde verborgen sei… Noch ein Blick zu den Homosexuellen: Die gleichgeschlechtliche Ehe ist „ein einziger Witz und peinlich“, denn schließlich sei die Ehe ein Instrument „des Kindermachens in geordneten Verhältnissen.“ Genug. Es reicht.

Mich tröstet: Unsere Gesellschaft erträgt auch frei herumlaufende Geistesgestörte. Um einem „deutschen Intellektuellen die deutsche Wirklichkeit vor Augen zu führen“, empfiehlt Pirincci „eine Eisenstange auf den Kopf mit Schmackes“. Begäbe ich mich auf dieses Niveau, könnte ich mich dieser Tat schuldig machen. Ich bin vorsichtig, Menschen als Nazi oder Neonazi zu klassifizieren. Sarrazin und die AfD sind im Vergleich zu Pirincci jedoch harmlose Kindergärtner.

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar. Den ersparten Kaufpreis werde ich der Ahmadiyya-Gemeinde in Leipzig für den Bau ihrer Moschee spenden.