Rezension: Tilman Strasser, Hasenmeister

Künstler gelten oft als seltsam und kauzig – nur nennt man das bei ihnen dann „exzentrisch“ und es gehört quasi zum Berufsbild. Felix Hasenmeister, der Violinist und Protagonist in Tilman Strassers Roman „Hasenmeister“, entspricht diesem Klischee von Genie und Wahnsinn. Doch was behält die Oberhand?

Quelle: www.salisverlag.com
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Wenn der Sohn die Träume des Vaters verwirklichen soll
Felix Hasenmeister, Sohn eines Arztes mit Ambitionen im Geigenspiel, dessen Mutter bei der Geburt starb, besitzt eine ausgeprägte musikalische Begabung. Das führt ihn ins Konservatorium, wo ihm nach Abschluss eine brillante Karriere als Konzertsolist vorausgesagt wird. Doch nach seinem Abschlusskonzert flüchtet Felix in die Abgeschiedenheit einer Übezelle, um sich vor der Welt zu verstecken. Gesucht nur von seiner geliebten Carla, offenbart Felix in der Dunkelheit der Zelle seine Geschichte vom musikalischen Wunderkind bis zum Abschlusskonzert. Nach und nach bietet sich eine Sicht auf Felix‘ Welt, dominiert von seinem Vater, der das Kind nicht wirklich lieben kann, weil seine Frau bei der Geburt starb, und seinen Geigenlehrern, die seine Psyche nachhaltig beeinflussen. Hin- und hergerissen zwischen Liebe und Hass auf die Musik und überschattet von allerlei seltsamen Begebenheiten, mischen sich die Erinnerungen mit den Empfindungen in Felix‘ selbstgewählter Isolation, sodass am Ende die Unterscheidung in Wahn und Wirklichkeit auch für den Leser schwierig ist.

Es sind die Erinnerungen, die uns prägen
Tilman Strasser gelingt es ausgezeichnet, die jeweiligen Situationen so zu schildern, wie ein Kind oder Jugendlicher im jeweiligen Alter dies gesehen haben könnte. Damit werden die Erinnerungen aber nicht rosiger, sondern gewinnen sogar noch an Schrecken, da das Kind Felix viel vom Verhalten der Erwachsenen, die es umgeben, einfach nicht versteht. Da ist etwa die erste Geigenlehrerin, die wohl ein Verhältnis mit dem Vater hat, und als dieser Geigenunterricht und Verhältnis beendet, zur irren Stalkerin wird. Da ist der dritte Lehrer, der fantastische Geschichten über seine Rettung durch die Musik erzählt. Und da ist das Verhältnis zu Carla, einer verheirateten Ärztin, der Felix mit einem kindlich-naiven Blick begegnet. Alle diese Dinge tragen dazu bei, Felix‘ Welt anhand der Erinnerung zu betrachten, immer überschattet vom despotischen Vater, der sich ein Vergnügen daraus macht, den Jungen subtil zu quälen, der ihm doch nur gefallen will. Das führt den Leser zur Erkenntnis, dass der Wahnsinn im Genie eher mit seinem Werdegang und weniger mit natürlicher Veranlagung zu tun hat – es ist die Umwelt, die uns mehr prägt als unsere Gene.

Mein Fazit
Aufgrund der Erzählweise mit ständigen Sprüngen zwischen Gegenwart, naher und ferner Vergangenheit, unterbrochen noch durch die SMS, die Carla an Felix schickt, sowie dem teilweise sehr ausschweifenden Schreibstil ist „Hasenmeister“ schwere Lesekost. Doch obwohl Tilman Strasser vielleicht ein wenig zu viel des Guten tut, wenn er gegen Ende des Buches mehr und mehr wahnwitzige Verknüpfungen andeutet, ist „Hasenmeister“ eine Empfehlung für all jene, die sich gern in die Abgründe der menschlichen Psyche versenken – und darin untergehen.

Tilman Strasser, Hasenmeister
Salis Verlag, Zürich 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Hasenmeister-9783906195254
Autor der Rezension: Harry Pfliegl