Rezension: Stefan Müller, 111 Gründe Bücher zu lieben. Oder: Ein Lese(r)buch.

Der Magdeburger Stefan Müller ist wohl das, was man im bildungssprachlichen Milieu gern als „Homme de lettres“ etikettiert. Geboren 1980, stellte er bereits als 17-jähriger seinen ersten Roman „Vertraute Fremde“ vor. Es folgten ein Studium der Germanistik und Anglistik, parallel dazu Engagements in den Redaktionen von Magdeburger General-Anzeiger bzw. Elbe Kurier und die Berufung zum Internetredakteur beim Landtag von Sachsen-Anhalt.

111 Gründe2013 erschien dann im Berliner Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf der Jugendroman „Tibor und ich“ vom mittlerweile promovierten Literaturwissenschaftler. Ach ja: als Sänger ist Stefan Müller auch unterwegs. Und nun stimmt er – ebenfalls bei Schwarzkopf & Schwarzkopf verlegt – ein vielseitiges Loblied aufs Lesen an. „Oha!“, denkt da womöglich mancher sofort: Schon wieder so ein subjektiver Kanon der empfehlenswerten Literatur.

Ja… teilweise durchaus. Aber „111 Gründe Bücher zu lieben“ ist weit mehr als eine Lese-Liste für mehr oder weniger bewanderte Literaturfreunde. Stefan Müller führt seine Leser hier in mehrfacher Hinsicht „listig“ ans Thema ran. Wie und wo kann die Liebe zu Büchern entstehen? Was sagt uns ein Gedankenstrich bei Kleist? Ist Anna Karenina ein Buch zum Film? Macht Büchersortieren eigentlich kreativ? Ist Hans Henny Jahnn ein sexuell getriebener Revoluzzer? In diesem Spektrum behandelt Müller seinen Themenkreis. Und in 111 Aspekten wird so bei dieser Hommage ans Lesen das Leben mit Büchern betrachtet, beschrieben und auch hinterfragt. Den Doktor der Literaturwissenschaft lässt Stefan Müller dabei eher selten aus dem Text herausdozieren. Erfreulicherweise. Denn der vorherrschende Stil in diesem Buch ist zwar von profundem Wissen geprägt – aber immer mit einer freundlichen Leichtigkeit präsentiert. Wobei mir persönlich manche Ausführungen fast etwas zu leise, zu betulich oder zu zutraulich hinsichtlich der beim Humor nach oben offenen Richterskala präsentiert werden. Insbesondere werden vor allem „Hardcore-Leser“ hier kaum auf bislang ungeahnte Literaturempfehlungen stoßen. Das dürfte allerdings auch nicht die Absicht von Stefan Müller beim Schreiben dieses Buches für die 111-Reihe des Verlags gewesen sein. Wer aber einfach mal eine feine Bestätigung für den sinnstiftenden Gehalt seiner Liebhaberei für Bücher und das Lesen an sich möchte oder an ein Geschenk für hoffnungsvolle Nachwuchsleseratten denkt, bekommt mit „111 Gründe“ von Stefan Müller schon reichlich gute Argumente an die Hand. Und hat womöglich – neben unterhaltsamer Nachttischlektüre – damit auch ein linguistisches Update für so manchen Smalltalk unter Gleichgesinnten genossen.

Autor: Harald Wurst | ph1.de