Der Leipziger Poetenladen bei Lehmanns: Füllhorn literarischer Talente

poetenladenDer Leipziger poetenladen Verlag entstand 2008 aus dem gleichnamigen Internetportal, das 2005 online ging. Seit dem Frühjahr 2006 erscheint halb­jährlich das Lite­ratur­magazin poet. Es wird beachtet als Sammelbecken für neue Lyrik und Prosa mit Bedeutung über Deutschland hinaus. Aktuell liegt die Ausgabe #19 zum Leitthema „Literatur und Glaube“ vor. Die Verlagsarbeit wird ergänzt durch die Herausgabe von Anthologien („aus meinem Sinn für Solidarität“), zuletzt „Schnee im August“, die Zusammenfassung zum (wohl letzten) MDR-Literaturwettbewerb 2015. Verleger und Gründer Andreas Heidtmann wurde zur Verlagsvorstellung bei Lehmanns von Wettbewerbssiegerin Ronya Othmann begleitet.

poet19-cover-300dpiVor der Literatur stand bei Andreas Heidtmann die Musik. Das Klavierstudium in Köln war keine besondere Entscheidung, „es war in meiner Familie üblich, sich mit Musik zu beschäftigen.“ Doch schon zu Studienbeginn war klar: Die eigentliche Liebe galt der Literatur. „Und da habe ich in der Jugend alle Klischees erfüllt, von allen Bänden Karl May bis zu Siddhartha mit 14 oder 15.“ Jetzt, mit gereifter Lebens- und Literaturerfahrung, fällt das Urteil differenzierter aus: Als Andreas Heidtmann als poet-Herausgeber im Jahr 2010 den Calwer Hermann-Hesse-Preis erhielt, las er noch einmal nach – „und ich konnte es nicht mehr ertragen.“

Die Entscheidung für einen eigenen Verlag traf Andreas Heidtmann unbelastet in einer Phase weitgehend finanzieller Unabhängigkeit. Ausweis der Zielstrebigkeit ist die Anzahl der Autoren im Konstrukt Poetenladen. Inzwischen sind es rund eintausend, „und es ist schwieriger, Autoren loszuwerden, als neue Autoren zu finden“. Ein Verlagsprofil, so Heidtmann, bilde sich vor allem durch Hausautoren. Deren literarische Produktion bestimme aber mehr als die Hälfte des Jahresprogramms, was widerum dem Nachwuchs den Zugang erschwere.

Ronya Othmann liest bei Lehmanns. Foto: Detlef M. Plaisier
Ronya Othmann liest bei Lehmanns. Foto: Detlef M. Plaisier

Ronya Othmann und der Poetenladen fanden durch den Siegerbeitrag des MDR-Literaturwettbewerbes zueinander. „Überraschend klarer Blick für ihr Schreiben“, „bemerkenswerte Dichte“, „feines Gefühl für das blitzende Moment der Metapher“ – mit 23 Jahren hat Ronya Othmann, die am Deutschen Literaturinstitut studiert, schon viel Lob von Juroren gesammelt. „Ich möchte über Themen schreiben, in denen ich mich auskenne.“ Und so ist die Herkunft des Vaters als syrisch-yezidischer Kurde ein „Materialhaufen“ für eigene Texte, ebenso wie die Beschäftigung mit dem Genre Film: „Filmische Bildsprache ist auch Anregung für das Schreiben.“ Was Ronya Othmann beweist, als ich noch einmal ihren Siegerbeitrag „Bleigießen“ höre. Scheinbar Belangloses wird im Stakkato verdichtet, ich schließe die Augen, der Film läuft. Am Schluss des Textes warte ich auf die Fortsetzung, ich mag kein offenes Ende. Ich möchte von Ronya Othmann noch viel mehr hören und lesen.

www.poetenladen.de
poet-magazin.de
poetenladen-der-verlag.de
www.deutsches-literaturinstitut.de/

Rundgang zu jungen Independent-Verlagen: Klassiker, Regionales und ganz schön Mutiges

Die Kurt Wolff Stiftung, benannt nach dem legendären Verleger und Entdecker Franz Kafkas, fördert vielfältig die unabhängige Verlags- und Literaturszene. Unabhängig heißt meist klein, aber auch genauso kreativ wie in der Welt der Großen. Stefan Weidle, Mitglied im Stiftungsvorstand, führte humorvoll und schnellen Schrittes eine kleine Lesergruppe zu ausgewählten Verlagen. Hier einige kurze Einblicke:

32_zuKlampen_FJ15_Allgemein_web„Leipzig? Großartig. Hier können wir mit ganz normalen Lesern plaudern.“ Verleger Dietrich zu Klampen aus dem wunderschönen Springe am Deister , unweit von Hannover, ist gut gelaunt. Er präsentiert mit Herzblut regionale Bücher mit Hannover-Bezug, Lyrik, Krimis, Texte zu Wissenschaft und Essays. Essays? „Ja, wir halten das für eine unterschätzte Form. Und wir lieben es, gegen den Mainstream geistige Stinkbomben zu werfen.“

Meine Buchempfehlung aus dem zu Klampen Verlag:
Ingeborg Prior, Sophies Vermächtnis. Die Lebensgeschichte der Kunstsammlerin Sophie Lissitzky-Küppers, Ehefrau des Künstlers El Lissitzky (Wiederauflage). Weitere Informationen hier.

logoPeter Hammer hat es nie gegeben. Die französische Form „Pierre Marteau“ war ein Pseudonym, das kritische Schriftsteller und Drucker im ausgehenden 17. Jahrhundert als Schutz vor Verfolgung durch die Obrigkeit nutzten. Diese Tradition,  gegen den Strich gebürstet und politisch provokant, nimmt der Peter Hammer Verlag mit einem breit gefächerten Programm auf. Es reicht vom Gesamtwerk Ernesto Cardenals in deutscher Sprache über anarchistische Philosophie, afrikanische und lateinamerikanische Literatur bis zum kleinen Maulwurf. „Unsere Autoren wissen, dass sich ein kleiner Stab trotz kleinen Werbebudgets mit guten Kontakten um sie kümmert.“

TZy89BHnAndré Gstettenhofer gründete den Salis Verlag 2007 mit dem Ziel, junge Schweizer Literatur zu fördern. Inzwischen umfasst das Programm auch Autoren aus Österreich und Deutschland, die in Deutsch schreiben; Übersetzungen gibt es nicht. Verlegt wird, was am Herzen liegt, von Belletristik über Wortakrobatik bis zum Kinderbuch. Spannend: „Zehn wichtigste Ereignisse meines Lebens„, ein Langzeitprojekt im Internet.

Meine Buchempfehlung aus dem Salis Verlag:
Tilman Strasser, Hasenmeister. Weitere Informationen hier.

fruehjahr-2015Am meisten hat mich der Guggolz Verlag beeindruckt. Einzelkämpfer Sebastin Guggolz hat gerade sein zweites Programm vorgelegt. Sein Credo: „Ich glaube fest daran, dass die Verlagsbranche nicht stirbt.“ Man dürfe als kleiner Verlag nicht mit den Großen in Konkurrenz treten und müsse sein Programm in höchstens zwei Sätzen beschreiben können. Seine Sätze? „Ich veröffentliche Neuentdeckungen und Wiederentdeckungen.“ Schwerpunkte sind Ost- und Nordeuropa. Coup zum Verlagsstart: Sebastian Guggolz erwarb die Rechte für Frans Eemil Sillanpää, den bisher einzigen finnischen Nobelpreisträger für Literatur (1939). Zum Frühjahr 2015 ist das Meisterstück der färöischen Literatur der Star.

Dies ist auch meine Buchempfehlung:
Heðin Brú, Vater und Sohn unterwegs. Leseprobe und weitere Informationen hier.