Herzlich willkommen zur Leipziger Buchmesse 2014: Kraftvoller Auftakt zum „Auftritt Schweiz“

Felix Immler schnitzt mit Kindern. Foto: Detlef M. Plaisier
Felix Immler schnitzt mit Kindern. Foto: Detlef M. Plaisier

Als ich mich eine halbe Stunde vor Beginn in das Schauspiel Leipzig mogele, hält Felix Immler schon das Victorinox Schweizer Taschenmesser und ein Stück Holz in der Hand. Er hat heute beim Eröffnungsfest des Partnerlandes Schweiz für die Leipziger den längsten Job: Über zwei Stunden zeigt Felix Immler den sicheren Umgang mit dem Taschenmesser in praktischen Übungen. Er ist geduldig, weist immer wieder auf die Sicherheitsregeln hin: „Wer schnitzt, der sitzt. Immer vom Körper weg schnitzen. Und vor allem genügend Abstand zum Nachbarn halten.“ Wer heute mitmacht, nimmt einen selbst geschnitzten Kreisel und das Taschenmesser als Geschenk mit nach Hause.

Sozialarbeiter Felix Immler arbeitet in einem Kinderheim und ist speziell ausgebildet in Naturpädagogik. Gleichzeitig ist er Mitinitiator des Erlebniskindergartens Buchhorn in Arbon am Bodensee. „Es ist wichtig, dass Kinder in einer angstfreien Umgebung lernen können“, erläutert er sein Engagement. Der Naturbursche kann mehr als Schnitzen: Bogenbau, Steinschleifen, Messerschmieden und Survival stehen auf seinem Programm. In Halbtageskursen können Kinder bei ihm eine Taschenmesserprüfung mit Diplom ablegen.

Quelle:  www.brunohaechler.ch
Quelle: www.brunohaechler.ch

Eine Tür weiter begeistert Bruno Hächler aus Winterthur mit seinen Kinderliedern und Geschichten kleine Zuhörer und große Begleiter gleichermaßen. Seine Texte zur Gitarre hat er von Schwizerdütsch auf Hochdeutsch übersetzt. Bruno Hächler singt vom Dachs mit zwei Streifen, von Jap, dem englischen Hund, der so gerne Tee trinkt, von der laaaangsamen Schnecke, die immer schneller wird, und vom Teddy, der nicht schlafen will. Vor der Bühne tanzen Hächlers kleine Groupies und spielen Luftgitarre. Beim letzten Song dürfen dann alle mit auf die Bühne. „Ich musste für mich erstmal die Sprachhürde überwinden“, sagt mir Bruno Hächler. „Aber dann war es wie zu Hause. Kinder reagieren überall auf die gleichen Dinge.“

Mehrdad Zaeri zeichnet Wilhelm Tell. Foto: Detlef M. Plaisier
Mehrdad Zaeri zeichnet Wilhelm Tell. Foto: Detlef M. Plaisier

Zu einer Schweizer Präsentation gehört natürlich Nationalheld Wilhelm Tell. Claudia Malten vom Schweizer Buchhändler- und Verleger Verband liest, Mehrdad Zaeri zeichnet. Der in Mannheim lebende Deutsch-Iraner zeichnet mit schwarzem und rotem Stift auf weißen A4-Blättern. Um das Motiv fortzuführen, wird das benutzte Blatt fortgeschoben und ein neues verwendet. Die Zeichnung wird an die Wand projiziert. Die Zuschauer verfolgen mucksmäuschenstill, wenn der rote Apfel entsteht und Mehrdad Zaeri ein zuvor zerknülltes Blatt Papier als Vogelkörper weiter verwendet. „Erwachsene werden wieder zu Kindern, wenn ich zeichne“, weiß der Künstler. „Ich führe ganz einfach Animationen und 3D auf einfache Linien zurück. Jede Veranstaltug inspiriert mich neu. Nur wenn ich frei bin, macht es mir und dem Publikum Spaß.“  Der Schweizer Baobab-Verlag habe den Mut gehabt, das Freiheitsepos des Wilhelm Tell mit seinen Zeichnungen und einer arabischen Freiheitsgeschichte zu veröffentlichen. „Ich freue mich über dieses Zeichen“, sagt Mehrdad Zaeri. „Gerade hat die Schweiz Gesetze gelockert und liefert Waffen an Saudi-Arabien. Da muss man sich doch positionieren.“

Bei aller Faszination muss die Lesung von Endo Anaconda, Sänger der Kultband „Stiller Has“, leiden: Ich höre nur noch Bruchstücke. Immerhin hat er einige freundliche Worte über Leipzig. Nach fünf Besuchen fühle er sich hier wie in einer Zeitmembran, poltert das Multitalent: „Hier vereint sich, was war, was ist und was sein wird.“ In seiner Wahlheimat Bern sei das ebenso. Kleiner Seitenhieb: Warum werde am Schauspiel Leipzig kein Goethe gegeben? Na ja, wenigstens „Kabale und Liebe“ stehe auf dem Spielplan. Da fühle man sich als Schweizer nicht ganz so ausgeschlossen. „Aber der Tell wäre noch besser.“

Peter Bichsel im Schauspiel Leipzig. Foto: Detlef M. Plaisier
Peter Bichsel im Schauspiel Leipzig. Foto: Detlef M. Plaisier

Die Klingel ruft zum Abendprogramm. Der große Saal im Schauspiel ist bei der Abendlesung mit Peter Bichsel gerade mal zu einem Drittel gefüllt, und auch das Medieninteresse ist verhalten. Es ist meine erste Begegnung mit Bichsel. Der Philosoph und große Erzähler möge mir verzeihen, sollte ihm mein Urteil nicht gerecht werden. Bichsel liest von Freundschaft, von Macht und Ohnmacht. Ich fühlte mich gut unterhalten, streckenweise schmunzelnd und amüsiert. Die Mahnung des Textes „Des Schweizers Schweiz“ ist angekommen und wird im Bewusstsein bleiben. Die Worte von 1968 sind angesichts des jüngsten Referendums brandaktuell und werden auf der Buchmesse nicht auszublenden sein.

Im letzten Jahr lag Schnee. Heute ist die Abendluft in Leipzig angenehm mild.

Merci vilmal. Vielen Dank  an die Schweiz für einen entspannten und sympathischen Auftakt zur Buchmesse!

Bruno Hächler: www.brunohaechler.ch
Felix Immler: www.taschenmesserbuch.ch
Mehrdad Zaeri: merhrdad-zaeri.de
Endo Anaconda: www.stillerhas.ch