Manchmal wird mir bewusst, dass ich kein Kind des Ostens bin. Viele der Zuhörer um mich herum kennen André Herzberg als Frontmann der Band „Pankow“, haben Platten zum Signieren mitgebracht. Ich bekomme heute einen ersten Eindruck von André Herzberg als Autor und Mensch. Man hatte mich vorgewarnt: Achte auf seinen Hut. Ohne ihn ist der Herzberg nackt. Und richtig, der schwarze Hut, ständiger Begleiter auf Konzerten und Lesungen, ist wieder dabei.
André Herzberg stellt sein Buch „Alle Nähe fern“ vor. Unschwer erkennbar ist es ein autobiographischer Roman über die Familie Herzberg, die im Text Zimmermann heißt. André Herzberg verknüpft einhundert Jahre deutsche Geschichte mit drei ganz unterschiedlich geprägten Generationen der eigenen Familie. Er beobachtet, erzählt, plaudert, träumt, wertet und geht hart ins Gericht mit dem Verrat der Väter an der Generation der Söhne, der sich vom Kaiserreich bis ins vereinigte Deutschland zieht.
Über dieses Gift zu schreiben, bekennt André Herzberg im Gespräch, habe ihm ein Stück „Leichtigkeit und Abstand“ verschafft. Ein schwieriger Spagat, denn gleichzeitig sollte das Buch unterhaltsam sein und nach dem Wunsch des Verlages ein Jahrhundert auf 270 Seiten pressen. Herzberg wählte nach einigen Versuchen Präsens als durchgängige Zeitform. „Ich habe immer Angst, Leute zu langweilen. Deswegen fasse ich mich beim Schreiben kurz, und bei der Musik mache ich Krach“, kokettiert er.
Gibt es einen neuen Antisemitismus in Deutschland? André Herzberg zögert: „Ich weiß nicht, ob der so neu ist oder ob er nur ein anderes Gesicht hat. Würde ich Kinder religiös erziehen, überlegte ich schon, wo ich sie hingehen lasse und wie ich sie schützen kann.“ Den Schabbat begeht André Herzberg zuhause in der Familie, und wenn er sich zu seiner Religion bekennt und ausgeht, wählt er vertraute Pfade und Menschen. „Wir religiösen DDR-Juden sind in der Gemeinde nur noch eine Handvoll Leute“, sagt er nachdenklich. Über sein Jüdischsein konnte André Herzberg bis heute nicht mit seinem Vater sprechen…
Foto André Herzberg: Detlef M. Plaisier