Erster Tag der Leipziger Buchmesse 2012

Auf gehts mit neuen Schuhen und neuer Arbeitstasche in knallorange zum ersten Messetag. Der beginnt mit einem Ärgernis: Presse und Fachbesucher dürfen erst ab 10:00 die Hallen betreten. In den letzten Jahren war 09:30 üblich. Auf telefonische Anfrage erklärt mir die Pressestelle der Leipziger Messe, da es zu „vermehrtem Bücherklau“ gekommen sei, habe man nun einen generellen Einlass auf 10:00 festgelegt. Auf meinen Einwand, dies doch bitte auch an Betroffene zu kommunizieren, zieht man sich auf die Website der Leipziger Buchmesse zurück. Die sei „ein Aushängeschild der Marke Leipziger Messe“ und bitte auch zu beachten.

Mein Messetag beginnt mit einem Rundgang bei Botschaften ausländischer Ausstellernationen. Auch in diesem Jahr ist das US-Generalkonsulat Leipzig wieder mit einem Stand vertreten (Halle 4, E 301). Pressereferentin Melanie Duong zeigt mir Bücher amerikanischer Verlage und Fachbücher, die nach der Buchmesse an mitteldeutsche Bibliotheken geschickt werden. Die Palette geht von Politik über fiction und nonfiction bis zu Kinderbüchern, Jobs und Zuckerberg. Auf dem Stand kann man sich auch zu den Themen Schüleraustausch und Praktika in den USA beraten lassen.  Das Generalkonsulat bietet im Rahmen von „Leipzig liest“ 21 Veranstaltungen an. Schöner Gag: Wer mag, kann sich mit Pappkamerad Obama fotografieren lassen und das Foto dann auf der Facebook-Präsenz des Konsulats sehen.

Wand an Wand informiert die China Book Trading GmbH über das Land der Mitte. Generaldirektor Genrui Zhang erzählt mir, viele Bücher seien auf Deutsch, einige in englischer Sprache. So könne man die chinesische Sprache lernen und sich über chinesische Kultur und Naturheilverfahren informieren. Einige der Bücher sind an den letzten beiden Messetagen auch käuflich zu erwerben. Als  Giveaway freue ich mich, wie schon im letzten Jahr, über einen Tischkalender mit chinesischen Tierkreiszeichen, der 2012 im Zeichen des Drachen steht.

In der nächsten Halle stoße ich auf einen anderen Aspekt Chinas: Charlotte Wagner verkauft als „Bildorchester“ Bildpostkarten mit eigenen Fotografien aus China (Halle 5, B 215). Es sind sehr persönliche Aufnahmen, abseits der Touristenpfade und einfühlsam. Wo die Aufnahmen im Land entstanden seien, wolle sie nicht sagen. Seit 2006 reist Charlotte Wagner regelmäßig nach China. Ihr Bild vom Land der Mitte habe sich seitdem sehr gewandelt, so wie es auch bei ihren Reisen in die USA der Fall war. Als ich mir 12 Karten aussuche, ist die Fotografin irritiert. Ich aber freue mich über eine ganz besondere Bereicherung meiner Postkartensammlung.

Mein  Highlight des Tages (alle anderen mögen mir verzeihen) gibt es schon mittags: In der LVZ-Autorenarena ( Halle 5, A 100) erzählen Egon Bahr und Peter Ensikat über ihr gemeinsames Buchprojekt „Gedächtnislücken“. Beide trennen 20 Jahre, und ja, es sei ruhig gesagt: Egon Bahr wird am letzten Tag der Buchmesse 90. Vor der ersten persönlichen Begegnung wussten beide schon voneinander: Ensikat kannte die Stimme von Egon Bahr aus dem RIAS („neben Onkel Tobias  aus dem Kinderfunk und Friedrich Luft, der Stimme der Kritik“), und Bahr bewunderte den Sprachjongleur Ensikat aus dem Kabarett „Die Distel“. Die halbe Stunde gerät zu einem vergnüglichen und informativen Streifzug durch die deutsche und internationale Geschichte. Bahr erinnert an die historische Rolle von Michail Gorbatschow im Abrüstungsprozess – und das Publikum applaudiert. Und Nixon, so plaudert Bahr, war ein „hervorragender Außenpolitiker, aber ein schlechter Charakter als Mensch“.

Mich hat dieser Auftritt sehr berührt. Ich werde nie die hemmungslosen Tränen von Egon Bahr beim Abschied von Willy Brandt in der SPD-Fraktion vergessen. Und ich denke dankbar an meine erste Begegnung mit Egon Bahr bei einer Diskussion mit Stefan Heym, Klaus Staeck und Gerhard Schröder im August 1989. Damals titelte ich „Auch die DDR wird sich verändern“. Egon Bahrs Vision von damals wurde schon weniger als drei Monate später durch den Mauerfall überholt: Auch 2010, so Bahr damals, würden noch zwei deutsche Staaten nebeneinander existieren.

Der nächste Termin ist ein Reinfall: Ich warte im Leipzig liest-Forum auf Mathias Gatza und seine Lesung aus „Augentäuscher“, erschienen im Graf Verlag. Der kommt nicht, und das Standpersonal in Gestalt einer sehr jungen Dame ist verunsichert und schweigt. Schade, wo doch das Rezensionsexemplar hier schon liegt.

Jetzt aber mal eben zum Mittag in die Buchhändler Lounge: Ein Paar Wiener, Kartoffelsalat und eine Automatenflasche 0,2 Cola für 6,90 Euro. Tipp: Wer nur 30 Minuten Zeit hat, sollte dort mittags nicht essen. Das Personal lächelt, ist aber komplett ungeschult und wäre bei der Slow Food-Bewegung besser aufgehoben.

Weiter geht’s zum Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Halle 5, Stand D 500b). Den kann man nicht verfehlen: Hier liegt der rote Teppich. Während der gesamten Buchmesse können dort interessierte Leser ihre Meinung zu der Frage abgeben „Wie gestalten wir die Zukunft des Buches?“. Die Antworten werden auf Puzzleteilen niedergeschrieben. Das gesamte Bild dient dann als Grundlage einer Session auf dem BuchCamp 2012, das am 5. und 6. Mai 2012 auf dem mediencampus frankfurt stattfindet.  Zum KickOff bei Kaffee und Leipziger Lärchen hob Steffen Meier von Ulmer online die Kreativität der BuchCampler hervor,  die Entwicklung des Buchmarktes mit frischen Impulsen voranzutreiben.

Zum Abschluss des Tages in den Messehallen gibt’s zwei Preisverleihungen. Noch zehn Minuten. Fünf. Drei. Zwei. Eins. 30 Sekunden. Der Countdown zum Preis der Leipziger Buchmesse ist ein Ritual. Ausgezeichnet wird je ein Preisträger in den Kategorien Übersetzung, Sachbuch/Essayistik und Belletristik. In diesem Jahr geht der Preis in der populärsten Kategorie Belletristik, für viele Beobachter erwartet, an „Sand“ von Wolfgang Herrndorf (bei Rowohlt Berlin). Die Jury hob hervor, dass der Leser Herrndorf in albtraumhafte Geschehnisse mit unvorstellbarer Leichtigkeit folge. Herrndorf sei ein „großer Erzähler“, der „allerbestens unterhalte“. Der Gewinner konnte aus gesundheitlichen Gründen bei der Preisverleihung nicht persönlich anwesend sein. Der Preis ist in jeder Kategorie mit 15.000 Euro dotiert.

Etwas intimer und in kleinerem Rahmen geht es bei der ersten Verleihung des Literaturpreises SERAPH zu, ausgelobt von der Phantastischen Akademie Mannheim. Beide Preisträger zeigten sich überrascht: Christian von Alster, Sieger in der Kategorie „Bestes Buch“ , sprach wortgewandt von einem „Irrtum“ – und freute sich sichtlich, ebenso wie Nina Maria Marewski, die für „Die Moldau im Schrank“ den mit 2.000 Euro dotierten Förderpreis als bester Debutant erhielt. Das Preisgeld wurde von den Stadtwerken Leipzig gestiftet und symbolisch durch einen großen Scheck von Frauke Riva, Leiterin Unternehmenskommunikation des Leipziger Energieversorgers, übergeben. Eine Rezension des Siegertextes erfolgt demnächst hier.

So, und das Abendprogramm fällt aus. Ich bin platt. Was verpasse ich? Die Lange Leipziger Lesenacht in der Moritzbastei. Und Paul Panzer in der Arena. Wir sehen uns morgen in den Hallen!

(Alle Fotos: Detlef M. Plaisier)

Leipziger Buchmesse 2012: Hier gehe ich hin

Mein Terminplan für die vier Messetage ist fast komplett. Natürlich kollidieren auch viele spannende Termine miteinander. Bei  Doppelbelegungen entscheide ich spontan, was ich mir anhöre. Vielleicht begegnen wir uns ja auf einer Veranstaltung – ich bin leicht zu erkennen: Der große Bär mit der knallorangen Umhängetasche ….

Donnerstag, 15. März

12:00  Egon Bahr, LVZ-Autorenarena, Halle 5 / A100

13:30  Lesung Mathias Gatza, Der Augentäuscher, Forum „Leipzig liest“, Halle 3 / E403

15:00  Kick-off zum BuchCamp 2012, Börsenverein des Dt. Buchhandels, Halle 5 / D500b

16:00  Preis der Leipziger Buchmesse, Glashalle

17:00  SERAPH-Preis, Fantasy-Leseinsel, Halle 2 / G305

19:00  Lesung Michael Stavarič (Wien), Telegraph, Dittrichring 18, EUR 5 / 3

anschließend Lange Lesenacht in der Moritzbastei, unter anderem mit Olga Grjasnowa (Oberkeller 22:15) und Katharina Bendixen (Schwalbennest 23:00), EUR 10 / 7

Freitag, 16.03.

10:30  Olga Grjasnowa auf dem Blauen Sofa, Glashalle

14:00  Preisverleihung „Lesekünstler des Jahres“, Forum „Leipzig liest“, Halle 4 / E101

16:30  Hans-Dietrich Genscher, LVZ-Autorenarena, Halle 5 / A100

17:00  Henryk M. Broder, LVZ-Autorenarena, Halle 5 / A100

19:00  Lesung von Autoren des EPIDU Verlages, Restaurant Stein, Am Bayrischen Platz / Windmühlenstraße 37, Eintritt frei

19:00  Lesung Eric Adler „Schlüsselfaktor Sozialkompetenz“, Ratskeller Leipzig

21:00  Myk Jung liest aus „Der Herr der Ohrringe“, Absintherie Sixtina, Katharinenstraße 11

Samstag, 17.03.

10:30  Heiner Geißler, LVZ-Autorenarena, Halle 5 / A100

12:00  Michael Schröder liest aus „131 Briefe“, Literaturcafé in Halle 4

15:00  Weltpremiere des Buches „Jede Frau ist eine Prinzessin“ mit Harald Glööckler, Printsystem Medienverlag, Halle 3 / G304 (nur auf Einladung)

20:00  Vorstellung der Biografie von André Heller, Zoo Leipzig, Gondwanaland, Abendkasse EUR 5

Sonntag, 18.03.

10:30  Lesung Eric Adler „Schlüsselfaktor Sozialkompetenz“, Wiener Kaffeehaus, Halle 4 / E 206

15:00  E-Book – wie geht das? Diskussionsrunde für Autoren, Forum autoren@leipzig, Halle 5 / B600

18:00  Lesung des Leipziger Autorenduos Sina Hawk und Karsten Kruschel, Telegraph, Dittrichring 18, EUR 5 / 3

Harald Glööckler: Weltpremiere auf der Leipziger Buchmesse 2012

Multitalent Harald Glööckler, extravaganter „Prince of Pompöös“, stellt am 17. März auf der Leipziger Buchmesse als Weltpremiere sein neues Buch „Jede Frau ist eine Prinzessin vor“.  Dort, so Glööckler, werde er das Geheimnis seines Erfolges lüften und zeigen, dass auch Frauen jenseits der Konfektionsgröße 40 sich wie Prinzessinnen fühlen dürfen. Ich darf bei diesem pompöösen Auftritt dabei sein und freu mich riesig!

Deutschlands erster Web 2.0-Verlag kommt wieder zur Buchmesse

EPIDU, Deutschlands erster Web 2.0-Verlag, bei dem die Community über einen Lektorentisch die Veröffentlichungen vorschlägt, kommt wieder zur Leipziger Buchmesse. Nach der Premierenlesung im vergangenen Jahr mit Michael Schröder und Sarah Eder geht’s wieder ins Restaurant Stein am Bayrischen Platz, um die neuen Verlagsautoren vorzustellen. Termin: Freitag, 16.03., ab 19 Uhr. Ich bin dabei!

Preis der Leipziger Buchmesse 2012

Die Nominierten stehen fest. Die Preisverleihung findet am Eröffnungstag der Buchmesse, Donnerstag, den 15. März 2012, um 16 Uhr in der Glashalle der Leipziger Messe statt. Klarer Publikumsfavorit beim Online-Voting  in der Kategorie Belletristik ist „Sand“ von Wolfgang Herrndorf (Rowohlt Berlin), der bereits 2011 mit Tschick nominiert war.

Lesen? Ja – aber vorher das Tagebuchblog des Autors, das Herrndorf seit der Diagnose eines Gehirntumors öffentlich macht.

Meine ersten Termine zur Leipziger Buchmesse 2012

Am ersten Messetag, Donnerstag, den 15.03., liest der Wiener Autor Michael Stavaric (Jahrgang 1972, Träger des Adalbert von Chamisso-Preises 2012) im Telegraph, Dittrichring 18-20 (Zentrum). Beginn ist um 19 Uhr. Eintritt EUR 5/3.

Den Abschluss der diesjährigen Buchmesse bildet für mich eine Tandemlesung zweier einheimischer Autoren: Sonntag, den 18.03. lesen Dr. Karsten Kruschel (Jahrgang 1959, Träger des Deutschen Science Fiction-Preises 2010) und Sina Hawk (Jahrgang 1988, Publizistin und Trägerin des Tauchaer Literaturpreises 2011). Los geht’s um 18 Uhr ebenfalls im Telegraph. Eintritt EUR 5/3.

Programmschwerpunkt der Leipziger Buchmesse 2012: Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus

Im Westen nichts Neues? Aber im Osten: Der Programmschwerpunkt der Leipziger Buchmesse 2012 steht fest. Mit dem Motto „tranzyt. Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus“ folgt die Leipziger Buchmesse weiter ihrer generellen Zielstellung, neue, interessante Autoren aus der Region Mittel- und Osteuropa einem breiteren Publikum vorzustellen und ihre Veröffentlichung bei deutschsprachigen Verlagen zu fördern.

Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus ist für deutschsprachige Leser weitestgehend unbekannt. Dagegen ist deutsche Sprache und Literatur in allen drei Ländern populär. Leser sind in dieser Region über die literarische Entwicklung in Deutschland gut informiert. In Deutschland weiß die Mehrheit von Lesern, aber auch von Kritikern und Autoren kaum etwas über die Kultur an der Ostgrenze der EU. Ausnahme: Polnische Autoren waren schon vor 1989 mit ihren Werken in Deutschland vertreten.

„tranzyt“ ist ein Projekt der Leipziger Buchmesse, der Robert Bosch Stiftung und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Kooperation mit der Rinat Ahmetov Stiftung „Rozvytok Ukrajiny“, der Allianz Kulturstiftung, dem Lemberger Verlegerforum und dem Polnischen Institut in Leipzig. Kurator des Projektes ist der Autor, Übersetzer und Träger des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2011 Martin Pollack. Er war unter anderem Korrespondent des Spiegel in Warschau. Pollack gilt als exzellenter Übersetzer aus dem Polnischen und Agent zwischen osteuropäischen Autoren und deutschen Verlagen.

Rezension: Freya Glücksweg, Der (kleine) Schatz im Kugelbauch

Ich habe die Autorin Freya Glücksweg über XING und über massive Werbemaßnahmen bei Twitter kennengelernt.

Die Autorin Freya Glücksweg. Quelle: Amazon.de
Die Autorin Freya Glücksweg. Quelle: Amazon.de

Sie schildert ihren Weg in den Jahren 1979 und 1980 vom Kinderwunsch bis zur Geburt ihrer Tochter. Sie wählt dafür nicht Prosa, etwa in Form eines Tagebuches, sondern die Form des Gedichtes.  Lobenswert, wenn …

„Und unser Wunsch wurd´ immer doller / dass unsre Wohnung werde voller …“ – schon nach den ersten Zeilen hatte ich die Befürchtung, dass mich nun über 200 Seiten Lyrik nach dem Motto erwarten „Reim dich, oder ich freß dich“. Das kann ja recht amüsant sein, doch es kam schlimmer: Die Verse der Autorin holpern in einem bisher unbekannten Versmaß, und wo es nicht passt, hilft immer ein Apostroph. Die Schilderungen aller Einzelheiten jeder Körperöffnung berühren mich an manchen Stellen genauso peinlich wie ein Foto mit Kugelbauch und blütenweißem Slip.

Zugegeben: Freya Glücksweg gibt werdenden Müttern auch nützliche Hilfestellungen und nimmt Ängste, etwa durch Fakten zur Anästhesie. Die wären allerdings in einem Sachbuch wesentlich besser angebracht als in bemühter Lyrik.

Fazit: „Der Schatz im Kugelbauch“ ist sicher ein legitimer Weg, eigene Glückserlebnisse zu verarbeiten. Der Verlag spricht von einer „Poetin“,  einem Stück „unterhaltsamer, spritziger Poesie mit Gefühl und Verstand“, und das Buch mache Lust aufs Kinderkriegen. Lust auf ein weiteres Erinnerungsbuch macht es mir nicht. Frauen mögen sich ihr eigenes, vielleicht anderes Urteil bilden. Ich habe das Buch einer Frau geschenkt.

Freya Glücksweg, Der (kleine) Schatz im Kugelbauch: Vom Kinderwunsch bis zur Klinikentlassung – Ein locker-flockiges Erlebnisgedicht über das Abenteuer des Mutterwerdens – illustriert durch 31 Farbfotos [Taschenbuch]
Books on Demand; Auflage: 1 (August 2010)

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